Sie sind charmant, selbstsicher, oft unwiderstehlich.
Sie geben uns das Gefühl, endlich gesehen, bewundert und begehrt zu werden.
Und doch hinterlassen sie nicht selten Chaos, Selbstzweifel und emotionale Erschöpfung.
Die Rede ist von Menschen mit narzisstischen Zügen – und der magnetischen Anziehung, die sie auf viele von uns ausüben.
Aber warum ist das so? Warum geraten wir immer wieder an Narzissten – obwohl wir es eigentlich besser wissen müssten?
Die Antwort liegt tief in unserer Psyche. Und sie beginnt nicht mit dem anderen – sondern mit uns selbst.
Narzissten: Spiegel unserer unerfüllten Sehnsüchte?
Bevor wir urteilen, lohnt sich ein Perspektivwechsel: Menschen mit narzisstischen Anteilen sind nicht einfach nur „toxisch“ – sie sind oft zutiefst verletzte Persönlichkeiten, deren Selbstwert in Wahrheit fragiler ist als es scheint.
Ihre scheinbare Selbstüberhöhung dient meist nur dazu, einen tiefen inneren Mangel zu kompensieren.
Und das ist auch der erste Punkt, der uns so fasziniert: Sie verkörpern das, was wir selbst vermissen.
Selbstbewusstsein, klare Grenzen, Charisma, Macht, emotionale Unabhängigkeit.
Wir fühlen uns von diesen Eigenschaften magisch angezogen – weil sie etwas in uns berühren, das uns selbst fehlt oder verletzt wurde.
Die Sogwirkung narzisstischer Beziehungen: Ein psychodynamisches Zusammenspiel
In der tiefenpsychologischen Betrachtung ist Beziehung immer Resonanz. Die Begegnung mit einem Narzissten ist selten Zufall – sie zeigt uns etwas über unsere eigenen inneren Muster.
Einige typische Dynamiken:
1. Das "Licht-Schatten"-Prinzip
Wir verlieben uns oft in unsere unterdrückten Anteile.
Ein Narzisst lebt das, was wir selbst nie durften: Laut sein, im Mittelpunkt stehen, sich wichtiger nehmen als andere.
Bedeutet: Wir projizieren häufig unsere unbewussten Sehnsüchte auf ihn.
Das erzeugt eine extreme Faszination – wir wollen durch den anderen heilen, was in uns fehlt.
2. Das „unsichtbare Kind“ in uns
Viele Menschen, die sich wiederholt zu Narzissten hingezogen fühlen, tragen in sich ein Kind, das sich einst über Anpassung Liebe verdient hat.
Sie haben früh gelernt: „Ich bekomme Aufmerksamkeit nur, wenn ich mich verhalte, funktioniere, mich klein mache.“
Ein Narzisst aktiviert dieses alte Beziehungsmuster:
- Er ist präsent – solange wir liefern.
- Er liebt – solange wir ihn bewundern.
- Er gibt – solange wir keine echten Bedürfnisse zeigen.
Und plötzlich sind wir wieder dieses Kind. Hoffend. Wartend. Zweifelnd.
Wenn du dich hier wiederfindest, lies unbedingt meinen Artikel Innere-Kind-Arbeit im Alltag: Heilung dort, wo du lebst, liebst und leidest.

Der süchtig machende Kreislauf aus Ideal und Entwertung
Narzisstische Beziehungsmuster folgen oft einem wiederkehrenden Muster:
- Love Bombing – Wir werden idealisiert. Plötzlich sind wir der Mittelpunkt seines Universums.
- Devaluation – Der Narzisst zieht sich zurück, kritisiert, entwertet subtil oder offen.
- Discard – Irgendwann werden wir emotional „fallen gelassen“ oder ignoriert.
Dieser toxische Wechsel zwischen Hochgefühl und Leere kann süchtig machen. Unser Gehirn schüttet dabei die gleichen Botenstoffe aus wie bei Drogenkonsum – insbesondere Dopamin und Cortisol.
Jedoch verwechseln wir emotionale Achterbahn mit echter Liebe!
Warum wir bleiben – obwohl es uns nicht guttut
Eine zentrale Erklärung liefert das Konzept des emotionalen Bindungstraumas. Wenn wir in der Kindheit Liebe nicht zuverlässig, sondern ambivalent erfahren haben, gewöhnen wir uns unbewusst an Instabilität.
„Wenn Liebe sich nicht sicher anfühlt, verwechseln wir Drama mit Nähe.“
Narzisstische Partner triggern genau dieses Muster: Sie geben uns gerade genug, um zu bleiben – aber nie genug, um uns sicher zu fühlen.
Wir versuchen durch „Mehr-Lieben“, was eigentlich durch „Loslassen“ geheilt werden müsste.
Ein guter Anfang ist es, dich mit deinen Beziehungsmustern zu beschäftigen. Und dabei hilft dir der Beitrag Bindungsstile und ihr Einfluss auf Beziehungen im Erwachsenenalter.
Der Weg aus der Sucht: Zurück zu dir
Die wichtigste Frage lautet nicht: „Warum ist er/sie so narzisstisch?“
Sondern: „Was in mir fühlt sich von dieser Dynamik angezogen?“
Heilung beginnt mit radikaler Ehrlichkeit:
- Was fehlt mir in mir selbst, das ich im anderen suche?
- Wo bin ich bereit, meine Grenzen zu verraten – nur um Nähe zu spüren?
- Wie sehr glaube ich, Liebe verdienen zu müssen?
Erst wenn wir beginnen, uns selbst in den Arm zu nehmen, statt im Außen nach Anerkennung zu jagen, verlieren Narzissten ihren Reiz.
Denn dann begegnen wir ihnen nicht mehr aus Mangel, sondern aus Fülle.
📌 Entdecke auch meinen kostenfreien Test: Bist du selbst narzisstisch geprägt?
Liebe oder Projektion? Was du über dich lernst, wenn du dich zu Narzissten hingezogen fühlst
Wir geraten nicht zufällig an Menschen mit narzisstischen Zügen. Sie berühren alte Wunden – und zeigen uns, wo noch Sehnsucht, Schmerz und Entwicklungspotenzial in uns wohnen.
Das ist unbequem. Aber es ist auch eine Einladung.
Wenn du bereit bist, den Blick nach innen zu richten, kannst du diese Erfahrungen nutzen:
- Um dein Selbstwertgefühl neu zu kalibrieren
- Um alte Beziehungsmuster zu durchbrechen
- Und um eine neue, reife Form der Liebe zu leben – ohne Drama, ohne Leere, ohne Masken
Denn wahre Nähe beginnt da, wo du dich nicht mehr kleiner machst, um geliebt zu werden.
Sondern wo du mit all deinen Anteilen – auch den ungeliebten – ganz bei dir ankommst.